Freitag, 1. November 2024
Schönenberg. An der Spitze des Feuerwehr-Zweckverbandes Sulgen–Kradolf-Schönenberg kommt es zu einem Wechsel. Der Schönenberger Norbert Schoch scheidet Ende 2024 aus der Feuerwehr aus und tritt damit auch als Kommandant zurück.
Wann und in welchem Alter haben Sie sich der Feuerwehr angeschlossen?
Norbert Schoch: Ich bin 1992 im Alter von 20 Jahren in die Feuerwehr eingetreten. Den Zweckverband, zuständig für die Gemeinden Sulgen und Kradolf-Schönenberg, gab es damals schon.
Was bewog Sie zu diesem Schritt? Was war Ihre Motivation?
Schoch: Ich trat gewissermassen in die Fussstapfen meines Vaters, der damals Feuerwehr-Offizier war. Ich hätte mir auch vorstellen können, einer Berufsfeuerwehr beizutreten. Der wichtigste Beweggrund für das Engagement in der Feuerwehr war, dass ich anderen Leuten in Notsituationen helfen wollte. Eine Rolle spielte auch, dass in der Feuerwehr die Pflege der Kameradschaft einen hohen Stellenwert hat.
Und was veranlasst Sie nun, nach elf Jahren als Kommandant zurückzutreten?
Schoch: In erster Linie mein Alter. In der Regel scheidet man mit 50 Jahren aus dem Dienst aus. Bei mir dauerte es zwei Jahre länger, weil die Nachfolgeregelung mehr Zeit in Anspruch genommen hat.
Niemand war in Sulgen länger Kommandant als Sie. Wie schwer oder leicht fällt Ihnen der Abschied von der Feuerwehr?
Schoch: Ich verlasse die Feuerwehr mit einem guten Gefühl; auch deshalb, weil wir im Zweckverband eine gute Lösung gefunden haben, wie es weitergehen soll. Wehmut verspüre ich nicht. Vielmehr freue ich mich, dass ich Ende 2024 nach insgesamt 32 Jahren aufhören kann.
Wer wird ab 2025 als Kommandant fungieren?
Schoch: Das wird Leo Langhart aus Schönenberg sein. Ihm zur Seite werden mit Marcel Iten aus Neukirch an der Thur und Michael Geiger aus Sulgen zwei Stellvertreter stehen.
Welche wichtigen Veränderungen und Fortschritte gab es im Laufe Ihrer Zeit als Feuerwehr-Angehöriger?
Schoch: Die grösste Veränderung betrifft die fortschreitende Komplexität der Aufgaben. Die Feuerwehr löscht nicht nur Brände, sondern kommt auch bei anderen Notfällen zum Einsatz. Sie müsste inzwischen eigentlich Schadenwehr heissen. Mit der Bevölkerungszunahme und der Ansiedlung von Industriebetrieben sind die Herausforderungen grösser geworden. Heute müssen von den Angehörigen der Feuerwehr auch mehr Kurse besucht werden als früher. Des Weiteren hat die Elektronik Einzug gehalten, die im Bereich der Kommunikation markante Fortschritte zur Folge hat. Auch die Bekleidung ist heute topmodern und wird höchsten Ansprüchen gerecht.
Was war der schwierigste, anspruchsvollste Einsatz, den die Feuerwehr Sulgen–Kradolf-Schönenberg unter Ihrem Kommando zu leisten hatte?
Schoch: Das war ohne Frage die Bewältigung des Unwetters im Jahr 2015. Ich stand damals eine ganze Woche im Einsatz. Der 15. Juni war zunächst ein schöner Sommertag, bis am späteren Nachmittag stundelange, heftige Niederschläge einsetzten und in der Region enorme Schäden verursachten. Es galt, zahlreiche Keller auszupumpen sowie an vielen Stellen den Verkehr umzuleiten und gleichzeitig auch den Brandschutz aufrechtzuerhalten.
Was erfüllt Sie rückblickend mit Befriedigung oder einem gewissen Stolz?
Schoch: Mit Stolz nicht, aber ich bin sehr froh, dass bei den Einsätzen in all den Jahren unter den Angehörigen der Feuerwehr keine Verletzten oder gar Tote zu beklagen waren. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Geschieht im Bereich der Brandprävention genug? Nimmt die Bevölkerung Gefahren, die von einem Feuer ausgehen, ernst genug?
Schoch: Ich denke schon, dass die Leute für derartige Gefahren heutzutage hinreichend sensibilisiert sind. Die präventiven und baulichen Massnahmen zeigen Wirkung und in Firmen gibt es immer wieder Weiterbildungen. Man muss sich aber bewusst sein, dass ein gewisses Restrisiko bestehen bleibt.
Wie gross ist noch der Anteil der klassischen Brandbekämpfung und was ist neu hinzugekommen?
Schoch: Die Brandbekämpfung macht heute noch rund einen Drittel aller Einsätze aus. Die Tendenz ist allerdings wieder leicht steigend, wobei die Ursachen für diese Entwicklung unklar sind. Mehrheitlich kommt die Feuerwehr heute bei wetterbedingten Elementarschäden zum Einsatz.
Wie gut ist der Zweckverband derzeit personell und auch bezüglich Ausrüstung aufgestellt? Gibt es in einem Bereich Handlungsbedarf?
Schoch: Die Feuerwehr des Zweckverbandes Sulgen–Kradolf-Schönenberg ist in jeder Hinsicht sehr gut aufgestellt. Der Sollbestand liegt bei 90 Angehörigen, das Korps zählt aber schon seit einigen Jahren permanent rund 110 Personen. Ersetzt werden muss im nächsten Jahr das Tanklöschfahrzeug, wozu die Gemeindeversammlungen in den Politischen Gemeinden Sulgen und Kradolf-Schönenberg ihre Zustimmung erteilen müssen. Das neue Fahrzeug kostet rund eine halbe Million Franken. Die kantonale Gebäudeversicherung wird sich mit einem Beitrag von 40 Prozent an den Kosten beteiligen.
Ihr Nachfolger steht mit Leo Langhart fest. Was sollte ein Kommandant ausser Fachwissen Ihrer Meinung nach noch mitbringen?
Schoch: Sozialkompetenz und gute Menschenkenntnis sowie Fingerspitzengefühl bei der Führung sind wichtige Voraussetzungen. Der Feuerwehr Sulgen–Kradolf-Schönenberg gehören über 100 Personen, darunter zwölf Frauen, an. Jeder Mensch ist anders und alle haben das Recht, fair, korrekt und ihren Fähigkeiten entsprechend behandelt zu werden. Die Feuerwehr ist kein Einmannbetrieb, sondern funktioniert nur im Team. Der Kommandant allein kann nichts bewirken, er braucht das Kader und die Mannschaft.
Werden Sie der Feuerwehr in irgendeiner Form weiterhin zur Verfügung stehen?
Schoch: Wenn mein Rat gefragt ist oder sich Fragen ergeben, die ich beantworten kann, werde ich mich einem solchen Ansinnen nicht verschliessen. Grundsätzlich möchte ich mit diesem Kapitel meines Lebens jedoch abschliessen. Auch einer Feuerwehr tut eine Blutauffrischung gut. Leo Langhart war längere Zeit mein Stellvertreter und weiss, was zu tun ist.
Dem Dienst in der Feuerwehr muss ein Teil des Privatlebens geopfert werden. Wie gedenken Sie die neue Freizeit zu nutzen?
Schoch: Ehrlich gesagt, ich habe noch keine Ahnung. Ich werde weiterhin Badminton spielen. Alles andere lasse ich auf mich zukommen. Bestimmt werde ich es aber geniessen, an einem Sonntag oder nachts nicht zu einem Einsatz ausrücken zu müssen.
Interview: Georg Stelzner