Freitag, 16. Juni 2023
Schönenberg. Markus Bernhardsgrütter hat den Auftrag, die Vereinsgaben für das Thurgauer Kantonalschützenfest 2023 in Frauenfeld und Umgebung, das heute beginnt, anzufertigen. Der Drechsler ist seit mehr als einem Jahr mit dieser Aufgabe beschäftigt.
In seiner Werkstatt lagert Markus Bernhardsgrütter Unmengen von Patronen. Eine polizeiliche Hausdurchsuchung müsste der 66-Jährige trotzdem nicht fürchten, denn: Die Munition besteht aus Holz und würde auch in keinen Gewehrlauf passen. Es handelt sich bei den Objekten um gedrechselte Bestandteile jener Auszeichnungen, welche man den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 71. Thurgauer Kantonalschützenfest (TKSF 2023) anlässlich des Absendens verleihen wird.
Markus Bernhardsgrütter ist gelernter Schreiner und war viele Jahre in diesem Beruf tätig. Die Arbeit mit dem Werkstoff Holz ist ihm also bestens vertraut. Das Drechseln hat Bernhardsgrütter vor 18 Jahren für sich entdeckt. Der Faszination dieses uralten Handwerks, dem er einen meditativen Nebeneffekt bescheinigt, kann er sich seither nicht mehr entziehen. Nach einer kurzen Einführung hat er sich gemäss dem Prinzip «Learning by Doing» im Laufe der Zeit zu einem Meister seines Fachs entwickelt.
«Ich will und kann»
Das Jahr 2021 neigte sich schon dem Ende zu, als Markus Bernhardsgrütter unverhofft von OK-Präsident Jakob Stark kontaktiert und mit der Frage konfrontiert wurde, ob er sich vorstellen könne, die Gaben für die am TKSF teilnehmenden Vereine anzufertigen. Lange überlegen musste Bernhardsgrütter nicht. Er war sofort Feuer und Flamme für das Projekt. «Ich will und kann das machen», sagte er sich, den Auftrag nicht nur als neue Herausforderung, sondern auch als grosse Ehre betrachtend. «Das ist eine weitere Bereicherung meiner fast 20-jährigen Tätigkeit als Drechsler.» Eine Herausforderung ist es nach den Worten Bernhardsgrütters insofern, als es sich um eine für ihn erstmalige Serienproduktion handelt, bei der auch ungleich mehr Einzelteile zusammengefügt werden müssen als zum Bespiel bei der Herstellung einer Schale. Der Faktor Zeit sei jedoch kein Problem, versichert Bernhardsgrütter: «Ich bin pensioniert und die zugestandene Vorlaufzeit erlaubt mir ein stressfreies Arbeiten.»
Präzision gefordert
Mit einem Plan im Kopf ging es im Frühjahr 2022 in die Werkstatt, zum Holzlager und an die Drechselbank. Zunächst galt es, einen Prototyp herzustellen. Das OK liess dem Schönenberger Drechsler bei der Gestaltung der Vereinsgabe weitgehend freie Hand. Die einzige Vorgabe bestand darin, dass eine Flasche Thurgados (Edelbrand aus Thurgauer Äpfeln) fixer Bestandteil des Objekts sein soll. Unter dem Motto «Do isch Thurgau dine» entwarf Bernhardsgrütter die «Thurgados-Schützenschaukel», die dann dem OK vorgestellt wurde und dieses auch überzeugte. Rund 100 Stück in drei Grössen werden davon benötigt, wobei jedes Exemplar aus 13 Komponenten besteht, was bei der Arbeit ein hohes Mass an Präzision erfordert. «Alle Einzelteile muss ich massgenau anfertigen, da sie erst am Schluss zusammengebaut werden», erklärt der erfahrene Drechsler. Mit Bedacht verarbeitet er ausschliesslich Holz aus der Region: dunkles vom Apfelbaum und helles vom Ahorn; der Boden, auf dem die Schützenschaukel ruht, ist eine mitteldichte Holzfaserplatte in Schwarz, welche die Zielscheibe symbolisiert.
Zielwasser inklusive
Mit seinem Drechslerbetrieb namens «ächthölzig» tritt Bernhardsgrütter am TKSF 2023 auch als Gabensponsor in Erscheinung. Für den Gabentempel stellt er zwei überdimensionale Zielwasserpatronen zur Verfügung. Der Clou dabei: In der hölzernen Patronenhülse befinden sich sechs Gläser und ein Liter Zielwasser, geschmacklich angereichert mit 42 Kräutern. Bernhardsgrütter rechnet für die Erledigung des Auftrags mit einer Gesamtarbeitszeit von 500 bis 600 Stunden. Anlass zur Hektik besteht nicht, auch wenn das Schützenfest schon heute Freitag beginnt und bis 2. Juli dauern wird. Die Gaben werden den Vereinen nämlich wie eingangs erwähnt erst im Rahmen des traditionellen Absendens übergeben. Doch schon jetzt kann Bernhardsgrütter zufrieden resümieren: «Zu Beginn füllte das benötigte Holz noch fast die ganze Werkstatt. Mit jedem Arbeitsschritt wurde das Volumen dann kleiner und Späne wie Restholz dienten in der kalten Jahreszeit dazu, meinen Arbeitsplatz behaglich warm zu heizen.»
Georg Stelzner