Freitag, 25. April 2025
Hohentannen. Mirjam Giger schwärmt für Ziegen, welche sie für überaus intelligente Geschöpfe hält. Als Einzige im Kanton Thurgau bietet die 48-Jährige geführte Wanderungen mit diesen Tieren, sogenannte Ziegentrekkings, an.
Seit 2019 das junge Böckli Giotto auf ihrem Anwesen in Hohentannen Einzug hielt, hat Mirjam Giger, gelernte Bankkauffrau mit Berufserfahrung in der Marketing- und Kommunikationsbranche, ihr Herz an Ziegen verloren. Während eines Spaziergangs habe sie eines Tages über Möglichkeiten nachgedacht, das Interesse an und die Leidenschaft für Ziegen mit anderen Menschen zu teilen. Gesagt, getan: Mirjam Giger absolvierte einen Kurs über die Tierhaltung und so wurde die Idee geboren, Ziegentrekkings – das Wandern mit Geissen – zu organisieren. Völlig neu ist diese entschleunigende Freizeitaktivität in der Schweiz nicht, aber immer noch äusserst selten.
Gross und robust
Den Ausschlag für die Ende des 20. Jahrhunderts vom Aussterben bedrohte Rasse Capra Grigia (Graue Bergziege) hätten die Grösse und die Robustheit der Tiere gegeben, erklärt Mirjam Giger. «Ausserdem gefallen mir die Grauen einfach am besten.» Ausgewachsene Böcke sind laut Giger in der Lage, Lasten bis zu 30 Prozent ihres eigenen Körpergewichts zu tragen. Bei mehrtägigen Touren könnten die Tiere deshalb problemlos beladen werden, zum Beispiel mit Proviant.
Es sind nicht zuletzt die Charaktereigenschaften dieser Tiere, die Mirjam Giger faszinieren. «Ziegen sind vorwitzig, neugierig und intelligent. Sie scheuen sich nicht, Grenzen auszuloten und diese bisweilen auch zu überschreiten», sagt sie. «Ziegen gehen mit Menschen eine echte Beziehung ein. Es ist möglich, mit ihnen einen ähnlichen Kontakt zu pflegen wie mit einem Hund.» Wichtig sei es, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und als Führungsperson akzeptiert zu werden. Das gelinge in der Regel aber relativ schnell. Vor allem Ziegenböcke liebten es, die Gegend zu erkunden und seien deshalb ideale Begleiter. Unterwegs würden sie gerne an Gräsern und Büschen knabbern und die Ausflüge mit Menschen sichtlich geniessen.
Auf der Weide vor Gigers Wohnhaus tummeln sich mittlerweile vier Ziegen: der sechsjährige, rund 100 Kilogramm wiegende Aton, gewissermassen der Herr im Haus (sprich: Bock im Stall), sein zweijähriger Sohn Amiro und das fünfjährige Zwillingspaar Max und Minni. Letztere ist Amiros Mutter. Als Feriengast leistet die einjährige Anna dem Quartett vorübergehend Gesellschaft, bis sie Ende Mai auf eine Alp übersiedeln und dort den Sommer verbringen wird. Die Lücke schliessen wird in einigen Wochen Möckli, ein im Frühjahr im Tierpark Kreuzlingen geborener Ziegenbock, den Mirjam Giger schon sehnsüchtig erwartet. Mit fünf Tieren sei dann aber eine Kapazitätsgrenze erreicht, stellt die seit 15 Jahren in Hohentannen wohnende Ziegenfreundin fest.
Gassi gehen mit Ziegen
Die Wanderungen oder Spaziergänge mit den Ziegen dauern in der Regel zwei bis vier Stunden, haben ihren Ausgangspunkt in Hohentannen und finden zur Hauptsache auf Flurstrassen abseits des motorisierten Verkehrs statt. Aus Sicherheitsgründen und um zu vermeiden, dass sie den Verlockungen von privaten Gärten erliegen und sich an Stauden, Kräutern oder Gräsern gütlich tun, werden die Tiere innerorts an der Leine geführt. Die Trekkings können individuell gestaltet werden; das heisst, Wünsche und Bedürfnisse der Kundschaft werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Kinder unter zehn Jahren sollten von einer erwachsenen Person begleitet werden.
Ziegen auf einer Wanderung zu begleiten, stellt nach den Worten Gigers insofern kein Problem dar, als diese Tiere ein ausgeprägtes soziales Verhalten an den Tag legten: «Sie nehmen Menschen in ihren Kreis auf und geben ihnen das Gefühl, dazuzugehören.» Eine solche Wanderung sei nicht zuletzt für Kinder eine spannende und lehrreiche Erfahrung. Sie könnten die Ziegen hautnah erleben und deren Verhalten studieren. Lohnenswert sei die Teilnahme an einem Ziegentrekking aber auch für Erwachsene, die dem hektischen Alltag entfliehen wollen und auf diese Weise Entspannung und Abwechslung suchen.
Den Lebensunterhalt bestreiten kann Mirjam Giger mit dem Ziegentrekking bei Weitem nicht. Dafür müsste sie das Angebot erweitern, ihren Beruf aufgeben und sich ganz darauf konzentrieren. Das möchte die Hohentannerin aber nicht. «Es ist ein schönes Hobby und soll es auch bleiben», sagt sie. (ggs)