Freitag, 23. August 2024

Schönenberg. Das Projekt für ein Gesundheitszentrum in der Gemeinde Kradolf-Schönenberg tritt in die Realisierungsphase ein. Die Baubewilligung ist erteilt worden, mit den Bauarbeiten soll in Kürze begonnen werden.

Bisweilen drohte das Bauvorhaben in der Thur unterzugehen. Nicht im wortwörtlichen, aber im übertragenen Sinn. Die behördenverbindliche Gewässerraum-Ausscheidung, welche dereinst die Renaturierung des Flusses ermöglichen soll, drohte zum Stolperstein zu werden. Es gibt wohl eine Besitzstandssicherung, doch Neubauten entlang der Thur sollen nicht mehr möglich sein. In keiner anderen Thurgauer Gemeinde stehen so viele Bauten so nahe an der Thur wie in Kradolf-Schönenberg. Dazu gehört auch die Villa bei der Schrägseilbrücke, in der noch bis Ende Oktober 2025 die Praxis von Doktor Mock untergebracht ist. Das geplante Gesundheitszentrum soll hinter diesem Gebäude, nämlich weiter «landeinwärts», errichtet werden, doch der Kanton legte sich trotzdem jahrelang quer und machte die Umsetzung des Projekts zu einer Geduldsprobe. 

Keine Einsprachen
Das 5176 Quadratmeter grosse Grundstück an der Thurbruggstrasse, auf dem der Neubau entstehen soll, gehört der Waloba AG. Deren Verwaltungsratspräsident, Benno Andermatt, ist überzeugt, dass der Durchbruch in den Verhandlungen mit dem Kanton der Hartnäckigkeit und dem Geschick der kommunalen Behörde mit Präsident Heinz Keller an der Spitze zu verdanken ist. «Der Gemeinderat hat ausgezeichnete Arbeit geleistet», sagt Andermatt, erfreut darüber, dass sich der Pragmatismus durchgesetzt hat. Der Neubau sei im Hinblick auf den künftigen Verlauf der Thur absolut bedenkenlos. Mit der Erteilung der Abbruch- und Baubewilligung am 11. Juli ist ein wichtiges Etappenziel erreicht worden. Es gab keine einzige Einsprache. Noch steht auf der Parzelle ein scheunenartiges Gebäude, das dem Gesundheitszentrum aber weichen muss. Stehen bleibt hingegen die mächtige, geschützte Linde. Bei der Sicherung der medizinischen Grundversorgung beschreitet man in Kradolf-Schönenberg einen eigenständigen Weg. Und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen wurde die in der Bevölkerung rege diskutierte Idee einer Kooperation mit Sulgen und Erlen wieder verworfen. Zum andern soll in Schönenberg ein Konzept umgesetzt werden, das medizinisch oder therapeutisch ausgebildeten Fachleuten die Möglichkeit für eine risikolose Praxisaufnahme bietet. «Ein offenes, transparentes und durchgängiges Praxis-Beteiligungsmodell ermöglicht durch den Kauf von Aktien eine Teilbeteiligung bis hin zum Alleineigentum», erklärt Andermatt. Ansprechen wolle man in erster Linie junge Ärzte aller Fachrichtungen, die eine Portion Idealismus mitbringen und ihre Tätigkeit nicht nur als Beruf, sondern als Berufung betrachten. «Ihnen möchten wir einen attraktiven Einstieg ins Berufsleben ermöglichen. Ich denke, wir können hier eine einzigartige Konstellation anbieten.» 

Zeit für Kernaufgabe
In Schönenberg würden Ärzte von administrativen und bürokratischen Aufgaben weitgehend entlastet und könnten sich so ganz ihrer Kernaufgabe widmen, führt Andermatt aus. Das sei ein starkes Argument für ein Engagement im künftigen Gesundheitszentrum, denn er habe die Erfahrung gemacht, dass es jungen Ärzten heutzutage oft an unternehmerischer Kompetenz mangelt. Das finanzielle Risiko tragen laut Andermatt die Politische Gemeinde Kradolf-Schönenberg und die Waloba AG. Fixe Zusagen von Ärzten gebe es im Moment noch keine. Bei der Rekrutierung von medizinischem und therapeutischem Fachpersonal setze man vorläufig auf persönliche Beziehungen und Gespräche. Mit der Errichtung des Gesundheitszentrums soll noch heuer, voraussichtlich im August oder September, begonnen werden. Einen optimalen Verlauf der Bauarbeiten vorausgesetzt, könnte die Einrichtung im Herbst oder Winter 2025 in Betrieb genommen werden. Bauherrin ist die Waloba AG. Als Betreibergesellschaft des Gesundheitszentrums wird die Firma «Q-Med an der Thur AG» fungieren, eine 100-prozentige Tochter der Waloba AG. Derzeit sind sämtliche Aktien im Besitz der Waloba AG. In einem nächsten Schritt sollen sie aber breiter gestreut werden, wobei die im Gesundheitszentrum arbeitenden Ärzte die Option auf ein Kaufrecht haben. Als Aktionäre kommen aber auch Privatpersonen infrage. «Wir haben ein Interesse daran, dass sich möglichst viele mit dem Projekt solidarisieren», sagt Andermatt.

Plan B vorhanden
Die Baukosten beziffert er mit rund fünf Millionen Franken. Der von der Gemeindeversammlung im Dezember 2021 bewilligte Kredit von 750 000 Franken ist als Anschubfinanzierung gedacht –dies unter der Voraussetzung, dass sich mindestens ein Arzt verpflichtet hat, seine Tätigkeit im Gesundheitszentrum aufzunehmen. Sollte es in den ersten zwei Jahren nicht möglich sein, das ganze Haus für medizinisch-therapeutische Zwecke zu nutzen, käme ein Plan B zur Anwendung. Das heisst, die noch freien Räume würden dann als Wohnungen zur Verfügung gestellt. Andermatt beurteilt die Ausgangslage so: «Patienten gibt es in der Gemeinde und in der Region sicher genug. Es wird aber eine gewisse Zeit dauern, bis das Gesundheitszentrum ausgelastet ist.»

Georg Stelzner