Freitag, 2. Juni 2023

Sulgen. 24 Jahre lang war Heinz Gfeller Präsident der Bibliothek Region Sulgen. An der Versammlung im Mai trat er zurück, gehört dem Vorstand als Kassier jedoch weiterhin an. Neue Präsidentin ist Claudia Hugger. 

Was ist der Grund, dass Sie kurz vor dem Vierteljahrhundert im Amt zurücktreten?

Heinz Gfeller: Begonnen hat das damit, dass Jennifer Ramsauer, die im Vorstand die Finanzen leitete, im letzten Jahr ihren Rücktritt bekannt gab. Wie in anderen Vereinen auch, war es nicht einfach jemanden für eine Vorstandstätigkeit zu finden, zumal die Aufgaben des Kassiers mit der Führung der Finanzbuchhaltung und dem Erstellen von Rechnungen allgemein nicht so beliebt ist. Ich mache das auch für andere Vereine, also schlug ich dem Vorstand vor, dass ich diese Funktion übernehmen könnte. Um eine Doppelrolle zu vermeiden, fragte ich Claudia Hugger an, ob sie bereit wäre das Präsidium zu übernehmen. Sie ist bereits seit einigen Jahren Mitglied des Vorstands, leitete zuvor den FerienSpass und war Behördenmitglied der Primarschule Sulgen. Gemeinsam haben wir im Vorstand eine pragmatische und gute Lösung gefunden. Ich werde die Finanzen der Bibliothek sicher so lange machen, wie ich auch noch Mitglied der Schulbehörde der VSG Region Sulgen bin, also bis Ende 2025. 

Wie kamen Sie ursprünglich dazu, das Präsidium der Bibliothek Region Sulgen zu übernehmen?

H. G.: Dem lag 1999 eine zufällige Begegnung mit dem damaligen Gemeindeammann Hans Ziegler zu Grunde. Es ging darum, ob ich Mitglied der FDP werden will. Da fragte er mich auch gleich, ob ich mir vorstellen könnte, das Präsidium der Bibliothek zu übernehmen. Ich erinnerte mich an meine Jugendzeit in Bern, wo ich an den schulfreien Tagen viel Zeit in der Bibliothek verbracht hatte, also sagte ich einfach Ja, ohne genau zu wissen was auf mich zukommt. Hans Zieglers Gattin Elisabeth war damals Leiterin der Bibliothek. Da unsere Rollenverteilung von Anfang an klar war, sie ist zuständig für die operative Führung und ich für die strategische, hatte ich einen optimalen Einstieg.  

24 Jahre ist eine lange Zeit? Was machte den Reiz aus, dieses Amt so lange auszuüben?

H. G.: Die wirklich sehr angenehme Zusammenarbeit mit allen. Im Vorstand wie im Ausleihteam sind fast ausschliesslich Damen, ich bin da sozusagen der Hahn im Korb! Viele setzen sich schon seit zehn oder 15 Jahren für die Bibliothek ein. Gemeinsam haben wir die Bibliothek vorwärtsgebracht, mal mit schnelleren, mal mit langsameren Schritten.  

Während ihrer Zeit als Präsident hat sich bei der Bibliothek viel getan. Was waren die Meilensteine? 

H. G.: 1999 funktionierte alles noch manuell, zwei bis drei Jahre später schrieb uns ein Lehrer ein einfaches Programm. Das war unser Einstieg in die Digitalisierung. Heute sind wir in NetBiblio integriert und haben eine Software, die voll durchgängig ist. Ein grösseres Paket, das wir angepackt haben, war die Integration der Schulbibliothek. Erste Gespräche mit der damaligen Primarschulgemeinde Sulgen fanden bereits um 2006 herum statt. Die Bereitschaft seitens Schule war damals jedoch noch nicht spürbar. 2012 nahmen wir einen weiteren Anlauf, bildeten mit Personen aus der Schulgemeinde und dem Vorstand der Bibliothek ein Projektteam, das die Vor- und Nachteile eines Zusammenschlusses aufführte. Dazu beigetragen, dass das Projekt im zweiten Anlauf erfolgreich war, hatte sicher auch der Umstand, dass die Räumlichkeiten in der Schule mit den steigenden Schülerzahlen knapp wurden und das geplante Begegnungshaus der Gemeinde in unmittelbarer Nähe zur Schule neue Möglichkeiten bot. Ein weiterer Faktor war, dass die Anforderungen für die Bücherauswahl immer anspruchsvoller wurden. Der Vertrag, der die Finanzen und die Zusammenarbeit regelt, wurde dann 2018 mit dem Zusammenschluss der Schulen zur Volkschulgemeinde Region Sulgen so angepasst, dass er für die neue Organisation stimmt. Vormittags ist die Bibliothek für die Schule offen und jemand vom Ausleihteam ist anwesend, so dass die Lehrpersonen Zeit für die Schülerinnen und Schüler haben, um die richtige Auswahl zu treffen. An den dafür vorgesehenen Nachmittagen und am Samstagmorgen ist die Bibliothek für die Allgemeinheit geöffnet. Diese Regelung klappt auch heute noch gut. Von den Lehrpersonen ist zudem jemand im Vorstand der Bibliothek vertreten. Diese Person ist bei der Jahresplanung dabei, und bringt die speziellen Themen ein, die in der Schule behandelt werden, so können dafür passende Medien beschafft werden. Mit den nun wachsenden Schülerzahlen wird die Zusammenarbeit mit der Schule für die Bibliothek nochmals spannender. Mit dem Umzug von den Räumlichkeiten im Seniorenzentrum ins Begegnungshaus hat die Bibliothek fast doppelt so viel Fläche erhalten. Dieser Umzug zeichnete sich schon früh ab, da das Seniorenzentrum ebenfalls mehr Platz benötigte und die Politische Gemeinde daran interessiert war, die Bibliothek mehr ins Zentrum zu rücken. Ein weiterer grosser Entwicklungsschritt wurde mit der Mitgliedschaft bei der digitalen Bibliothek Ostschweiz «dibiost» verwirklicht. Dort sind rund 80 Gemeinden und Schulen angeschlossen. Das Ausleihangebot für unsere Mitglieder, ob sie dieses kombiniert oder nur digital nutzen wollen, hat sich damit vervielfacht. Finden zum Beispiel Schüler für ihre Themenarbeit beim physischen Angebot in der Bibliothek nicht genügend Informationen, so stehen ihnen in der «dibiost» eine Fülle von Zeitungen, Fachzeitschriften und -bücher zur Verfügung. Im Moment haben wir pro Jahr rund 26 000 physische Ausleihungen und 5000 über die «dibiost», deren Anteil nimmt jährlich jedoch zwischen 8 und 12 Prozent zu. 

Vieles ist vollbracht, gibt es auch laufende Projekte? 

H. G.: Angefangen und weiter entwicklen werden wir die Aufnahme von fremdsprachigen Büchern für Kinder. Unser Angebot an türkischen, albanischen und englischen Kinderbüchern wollen wir mit der Schule zusammen laufend erweitern und so einen kleinen Beitrag zu einer verbesserten Integration leisten sowie unterschiedliche Kulturen einander näher bringen. Angedacht sind in diesem Zusammenhang auch Lesungen mit Autoren aus anderen Kulturkreisen, die zweisprachig gehalten werden. Dafür planen wir, mit dem Verein Buhara in Kontakt zu treten.

Welche Herausforderungen sehen sie in Zukunft auf die Bibliothek zukommen?

H. G.: Die Bibliothek wird sich den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen müssen. Dass es mehr Platz für physische Medien braucht, glaube ich nicht, aber die Bibliothek muss vielleicht mehr Platz für Menschen schaffen. Ich kann mir vorstellen, dass sie vielleicht zu einem Ort wird, wo man einfach hinkommen kann, ohne Konsumation ein Buch liest und das Handy im Auto lässt, damit man andere Gedanken auf sich einwirken lassen kann. Die Bibliothek kann vielleicht auch mithelfen, Generationen und unterschiedliche Kulturen miteinander zu verbinden. Längerfristig wird man sich auch über die Organisationsform Gedanken machen müssen.

Interview: Hannelore Bruderer 

Zur Person

Heinz Gfeller feierte im Februar seinen 67. Geburtstag. Er wohnt mit seiner Frau in Sulgen. Vor seiner Pensionierung war er Geschäftsführer in einem Industriebetrieb. Zu seinen Hobby zählt er Wandern, Lesen und Sport. (hab)