Freitag, 21. Juli 2023

Region. Die SBB-Gemeindetageskarten in ihrer bisherigen Form gibt es nur noch bis Ende 2023. Das Nachfolgeprodukt «Spartageskarte Gemeinde» findet nicht bei allen Gemeinden der Region Anklang. Eine Übersicht. 

Vergleicht man die Erklärungen auf der Homepage der SBB vom bisherigen mit dem neuen Produkt der Tageskarten, die über die Gemeinde vertrieben werden, so fällt auf, dass jene über das neue Angebot knapp viermal so lang ausfallen. Das spricht nicht für eine Vereinfachung des Systems. 

Schweizweites Kontingent

Bisher verfügt jede Gemeinde über ein bestimmtes, von ihr gewähltes Kontingent. Man kann die Karten auf der Webseite der Gemeinde reservieren und sie dann am Schalter abholen und bezahlen. Der Preis der Gemeindetageskarte, die immer für Fahrten in der 2. Klasse gültig ist, variiert je nach Gemeinde zwischen 42 und 45 Franken. Neu gibt es kein gemeindebezogenes, sondern ein schweizweites Kontingent, abrufbar, aber nicht reservierbar auf einer zentralen Webseite. Da die Verfügbarkeit mehrmals täglich aktualisiert wird, kann es vorkommen, dass die zuvor als verfügbar angegebene Tageskarte, will man sie dann später am Schalter der Gemeinde erwerben, für den gewünschten Reisetag bereits nicht mehr erhältlich ist. Die günstigste Spartageskarte Gemeinde kostet in der 2. Klasse mit Halbtax 39 Franken, sofern das Kontingent noch nicht ausgeschöpft ist. Sie muss aber mehr als zehn Tage vor dem Reisetag gekauft werden. Das teuerste Angebot ist eine Tageskarte 1. Klasse, ohne Halbtax, für 148 Franken, buchbar bis einen Tag vor Reiseantritt. Anders als mit der bisherigen übertragbaren Tageskarte aus leichtem Karton, müssen Reisende mit der Spartageskarte Gemeinde den Kontrollpersonen im öffentlichen Verkehr künftig den QR-Code auf dem Billett oder Smartphone zusammen mit einem amtlichen Lichtbildausweis oder dem Swiss­Pass vorweisen.

Nicht alle machen mit

Die Gemeinden Sulgen, Kradolf-Schönenberg und Birwinken übernehmen das neue Konzept und bieten ihren Einwohnerinnen und Einwohnern die Spartageskarte Gemeinde 2024 an, buchbar ab dem 11. Dezember. Die Gemeinde Bürglen verzichtet auf die Weiterführung der Tageskarten. Hohentannen hatte bisher keine SBB-Tageskarten und wird auch das neue System nicht einführen. Der Gemeinderat Erlen wird sich erst in seiner Sitzung vom 23. August definitiv entscheiden. Gemeindepräsident Thomas Bosshard macht aber keinen Hehl daraus, dass er dem neuen Angebot kritisch gegenübersteht. «Wegen der nun geforderten Personalisierung, der Preisstufung und der mangelnden Reservationsmöglichkeiten wird der Aufwand für die Kunden sowie die Gemeinde grösser», meint er. «Das mit der Verkaufskommission von 5 Prozent pro verkaufte Spartageskarte für die Gemeinde hätte man sich sparen und dem Kunden mehr entgegenkommen können. Die SBB holt ihr Defizit via die Beiträge von Gemeinden und Kantonen sowieso wieder rein.» Bei der Gemeinde Erlen betrage die finanzielle Unterstützung des ÖV immerhin knapp 200 000 Franken pro Jahr. 

Bürglen sagt Nein

Der Gemeinderat Bürglen hat entschieden, das neue System nicht zu übernehmen. Gemeindepräsident Kilian Germann nennt als Hauptgründe den hohen Beratungs- und Bearbeitungsaufwand sowie die Verschlechterung des heutigen Angebots. Die SBB biete mit ihren Sparbilletten mittlerweile attraktive Vergünstigungen an. Ebenfalls nehme der Anteil der Bevölkerung stetig zu, der in der Lage sei, die elektronischen Mittel zu nutzen, begründet er. Germann kommt zum Schluss: «Der durch die SBB vorgegebene Ablauf für die Spartageskarte Gemeinde und die fehlende Reservationsmöglichkeit ist für die Kunden unvorteilhaft und erhöht auch den Aufwand der Gemeindeverwaltung.»

Drei machen definitiv weiter

Positiver, wenn auch nicht kritiklos, beurteilen die anderen Gemeinden das neue Angebot. «Das neue Konzept erfordert sicher eine gründliche Schulung der Mitarbeiter und ist auf den ersten Blick umständlicher», sagt Jasmin Abt, Gemeindeschreiberin in Birwinken. «Wir sind aber überzeugt, dass sich der Arbeitsaufwand nach einer ersten Phase wieder im Rahmen wie vorher bewegen wird.» Sie wie auch Sulgens Gemeindepräsident Andreas Opprecht betonen, dass die Gemeindetageskarten äusserst beliebt und geschätzt seien und sie aus diesem Grund das Angebot weiterführen möchten. «In unserer Einschätzung ist das neue Angebot zwar nicht mehr so ­attraktiv wie heute», sagt Andreas Opprecht, «dennoch möchten wir unseren Einwohnerinnen und Einwohnern das Nachfolgeangebot der Tageskarte, welches der Schweizerische Städteverband und der Schweizerische Gemeindeverband zusammen mit der SBB ausgehandelt haben, nicht vorenthalten.» Opp­recht geht davon aus, dass der administrative Gesamtaufwand über alles betrachtet mit dem heutigen Aufwand vergleichbar ist. 

Später erneut prüfen

Mit einem gleichbleibenden Aufwand rechnet auch die Gemeinde Kradolf-Schönenberg. «Zugunsten des Bevölkerungsteils, der nicht technikaffin genug ist, um die Spartageskarten via SBB-App zu beziehen, haben wir uns für die Weiterführung entschieden», sagt Mema Berisha, die Leiterin der Einwohnerdienste, die für die Ausgabe der Tageskarten zuständig ist. «Wir wollen das Angebot für ein Probejahr bis Ende 2024 aufrechterhalten. Danach wird sich zeigen, ob es angesichts des Arbeitsaufwands sinnvoll ist, die Ausgabe weiterhin zu praktizieren.» Nach einer gewissen Zeit will auch die Gemeinde Birwinken die Situation neu beurteilen. Gemeindeschreiberin Jasmin Abt befürchtet, dass es in ihrer Gemeinde zu einer Zunahme von Kunden und damit eines erhöhten Aufwandes kommen könnte, da doch einige der umliegenden Gemeinden keine Spartageskarten Gemeinde mehr anbieten werden. 

Hannelore Bruderer

Komitee gegründet

Für den Erhalt der Gemeindetageskarte macht sich das Komitee für einen gesellschaftsverträglichen ÖV stark. Das neue Angebot sei wesentlich teurer, komplizierter und unflexibler, schreibt das Komitee in seiner Medienmitteilung. Unter dem Slogan «Kostenmonster ÖV bändigen» fordern die Initianten: «Die beliebte Gemeindetageskarte in altbewährter Form muss den Bürgerinnen und Bürgern wieder zurückgebracht werden.» Es sei nicht hinnehmbar, dass die SBB Schalterstelle um Schalterstelle schliesse und an unzähligen Bahnhöfen keinerlei Beratungsangebote mehr anbiete, aber gleichzeitig diese Aufgaben an die Gemeinden delegiere und dadurch gar noch Kosten einspare. Dem von den Sarganserländer Politikern Marc Manhart (SVP), Andrea Büsser (Die Mitte) und Michael Fux (SVP) gegründete Komitee haben sich die St. Galler Ständerätin Esther Friedli (SVP) sowie die Nationalräte Markus Ritter (Die Mitte), Mike Egger, Lukas Reimann, Michael Graber, Michael Götte, Andreas Glarner und Christian Imark (alle SVP) angeschlossen. Nebst weiteren bürgerlichen Kantonsräten, die das Komitee unterstützen, ist mit dem St. Galler Kantonsrat Bernhard Hauser ein erster Vertreter der SP mit an Bord. Weitere Informationen über die Tätigkeit des Komitees finden sich auf der Homepage www.komitee.ch. (red.)