Freitag, 4. April 2025
Buchackern. Wer sich vom modernen Alltag gestresst fühlt, kann bei Beat Stump neues Gleichgewicht finden. Nach einem Tag Arbeit auf dem Feld, im Einklang mit der Natur, sei Glückseligkeit garantiert, behauptet der Knoblauch-Bauer aus Buchackern. Also nichts wie rein in die Gummistiefel? Der «Neue Anzeiger» hat das Angebot getestet.
Es ist ein frischer Montagmorgen im idyllischen Örtchen Buchackern. Noch hat der Frühling nicht offiziell begonnen, aber er steht definitiv in den Startlöchern. Auf dem Kiesplatz vor dem Riegelhaus auf Beat Stumps Hof parkieren ungewöhnlich viele Autos. Heute ist der Start seines neuen Projektes «geeicht und geerdet». Mit festem Händedruck und offenem Lächeln begrüsst der Bauer die Ankömmlinge. Drei Frauen und fünf Männer stehen in der Scheune, gut ausgerüstet mit bequemen, alten Sachen, Schuhen oder Stiefeln, die dreckig werden dürfen, und Regenjacken und -hosen. Ein leichter Duft von Knoblauch liegt in der Luft, als Stump Arbeitshandschuhe verteilt.
«Viele Menschen kennen die Landwirtschaft heute nicht mehr aus eigener Erfahrung», erklärt der Bauer seine Motivation. «Das möchte ich ändern.» Die Idee dazu sei ihm gekommen, als er Verkaufsleiterinnen vom Coop im Rahmen einer Weiterbildung zeigte, wie man Kopfsalat erntete – und die Städterinnen sich wenig geschickt anstellten. Für seine anschauliche Beschreibung erntet er einige Lacher. Danach geht es ins Lager, wo der Knoblauch trocknet und noch ein Rest der letzten Ernte liegt. Auf dem Scheunenboden und draussen erklärt der Bauer seine Maschinen. Diese helfen ihm bei der Aussaat und Ernte: kostspielige Spezialanfertigungen aus Spanien und Frankreich. Später steht allerdings Handarbeit auf dem Programm – mit all ihren Mühen, aber auch Vorzügen.
Gemüse, Kühe, Alp
Mit-Initiatorin von «geeicht und geerdet» ist Madeleine Michel. Sie betreibt einen Biohof in Obwalden mit Milchwirtschaft, Jungviehaufzucht, Fleischproduktion und ihrem Steckenpferd: dem Gemüseanbau. Sie zeichnet mit ihren Händen einen Ring in die Luft, um ihr System zu verdeutlichen: Alles greift ineinander in der Kreislaufwirtschaft. Sie hat schon einige Erfahrung darin, anderen naturnahes Leben beizubringen, etwa in Selbsterntegärten, wo die Teilnehmenden lernen, einen Gemüsegarten als Selbstversorger zu bewirtschaften (Selbsterntegarten.ch). Oder durch die verschiedenen Abonnements, die sie auf dem Hostett Ramersberg anbietet. Interessierte können beispielsweise wöchentlich mithelfen. Ihr Lohn ist die Ernte oder in einem anderen Abo Milch und Fleisch.
«Den Geist befreien»
«Früher haben ganz viele Personen von einem Bauernhof leben können», beschreibt die Gemüsegärtnerin den gesellschaftlichen Wandel. «Heute ist das nicht mehr so: Eine Person bewirtschaftet Hektaren. Dafür sind die Wege länger.» Sie ist überzeugt davon, dass Menschen unzufrieden werden, wenn sie den Bezug zum Boden verlieren, zum «grossen Ganzen». Geeicht und geerdet zu sein bedeute, durch naturnahes Leben innere Ruhe zu finden. «Dann verlieren die grossen Aufregerthemen unserer Zeit ihren Schrecken», sagt sie. Auf dem Werbeflyer hat sie es so formuliert: «Den Körper fordern und den Geist befreien.»
Mit diesen Worten im Kopf begeben sich die Teilnehmenden aufs Feld, wo während der Arbeit in kleinen Teams Zeit ist, Gedanken zu vertiefen oder Persönliches zu erfahren.
Der Grossteil der Gruppe ist im beruflichen Leben bei der Thurgauer Kantonalbank angestellt. Menschen, die sich sonst mit Kontoeröffnungen, Marketing oder Steuern beschäftigen, schnappen sich nun Handhacke, Harke oder Jäter. Ihre Motivation geht vielfach in dieselbe Richtung: Einfach mal etwas anderes machen als Büroarbeit, draussen, an der Luft, mit Kollegen, ein Kontrastprogramm oder eine Horizonterweiterung, sagen sie. Vielleicht kann er hier noch etwas dazulernen, hofft ein junger Mann, der sich daheim mit seiner Partnerin um den gemeinsamen Garten kümmert. Eine Familienfrau war neugierig geworden, weil es in der Schweiz selten ist, dass Knoblauch in so grossen Stil angebaut wird. Mit dabei ist auch der Erler Gemeinderatskandidat Michel F. Cresta.
Praktisch geht es beim Einsatz darum, Unkraut zu jäten. Zwischen den jungen Knoblauchpflanzen wächst vor allem die Quecke, auch Schnürgras genannt. An manchen Stellen des Feldes ist der Bewuchs stärker, an manchen schwächer. Die Teilnehmenden entfernen dieses und anderes unerwünschtes Grün auf den Knien oder gebückt – eine Sisyphos-Arbeit, die der Bauer alle paar Wochen unternehmen muss. «Normalerweise unterstützen mich Saisonarbeiter», sagt Stump. Die Arbeit strengt an und ist relativ monoton. Zwei Reihen pro Mann schafft die Gruppe am Vormittag. Wer den Blick hebt, sieht eine riesige Fläche, die noch gejätet werden muss. Man kommt nicht umhin, sich zu wundern: «Lohnt sich das?»
Lebensmittel vom Hof
Lohnen tun sich auf jeden Fall die schmackhaften Produkte, welche Beat Stumps Partner mit seinem Knoblauch herstellen. Zum Zmittag gibt es Knoblauch-Käse, würzige Dipps, Salat mit feinem Dressing und Knobli-Brot. Dazu reicht Madeleine Michel Würste von ihrem Hof und Quinoa-Gemüse-Eintopf. Etwas erschöpft, aber zufrieden lassen es sich die Teilnehmenden schmecken. Den Job wechseln werden sie nach dieser Erfahrung wohl nicht. Die einhellige Meinung am Tisch ist aber: Eine interessante Erfahrung war das allemal.
Neugierig geworden? Diesen besonderen Teamanlass auf dem Knoblauchfeld kann man buchen. Die nächsten Daten sind am 14. und 28. April sowie am 12. und 26. Mai. Möglich sind auch Wunschtermine. Infos und Anmeldung unter E-Mail info@schweizerknoblauch.ch oder Tel. 079 341 05 02.
Stefan Böker