Freitag, 1. September 2023

Sulgen. Am Mittwochabend lud die IG zur Erhaltung des Naherholungsgebiets beim alten Reservoir zu einer Information über den dortigen Baumbestand ein. Am Standort altes Reservoir ist der Bau eines Aussichtsturms geplant.

Der Platz beim stillgelegten Wasserreservoir im Oberdorf bietet eine tolle Aussicht. Dort plant die Gemeinde Sulgen den Bau eines rund 25 Meter hohen Aussichtsturms. Dass nicht alle Einwohner mit diesem Plan einverstanden sind, wurde an der Gemeindeversammlung von Ende Mai klar, als Ines Rüegg das Wort ergriff. Sie ist zusammen mit Béatrice Buschor und Regula Schefer Ansprechperson der IG zur Erhaltung des Nah­erholungsgebiets beim alten Reservoir. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wandte sich die IG an die Fondation Franz Weber, die unter anderem ein Projekt gegen den unnötigen Verlust von Bäumen in städtischen und stadtnahen Gebieten führt. 

Bäume im Teenageralter

Gut 50 Personen fanden sich auf dem Platz über dem stillgelegten Reservoir ein, unter ihnen auch Gemeindepräsident Andreas Opprecht und Gemeinderätin Maja Brühlmann. Nach der Begrüssung durch Ines Rüegg und Matthias Mast, dem Kommunikationsverantwortlichen der Fondation Franz Weber, ergriff der Baumexperte Fabian Dietrich das Wort. Vor der Veranstaltung habe er eineinhalb Stunden Zeit gehabt, um den Baumbestand auf dem Reservoir zu begutachten, sagte er. «Wir stehen hier in einem Naturmonument, das in der Schweiz wohl einzigartig ist und zu Recht unter Schutz steht. Es ist wie in einer Kathedrale. Ich bin begeistert.» Neben einer Gruppe von Birken stehen im Rund eine Fichte, zwei Rotbuchen, eine Winterlinde und als einziger nicht einheimischer Baum eine Scheinzypresse. Die Bäume seien zwischen 60 und 80 Jahre alt, schätzt der Baumexperte. «Also noch im Teenageralter, denn Rotbuchen können bis 500 Jahre, eine Winterlinde sogar 1000 Jahre alt werden.» Eine der Birken wurde vor nicht allzu langer Zeit gefällt, nur der Baumstumpf steht noch dort. Fabian Dietrich ist überzeugt, dass man auch diesen Baum mit der entsprechenden Pflege hätte retten können. Ein Baum sei nicht immer an seinem Lebensende angelangt, wenn er Beschädigungen aufweise oder innen hohl sei. «Im urbanen Raum werden viele alte Bäume gefällt, weil sie als Gefahr wahrgenommen werden. Ich bin überzeugt, dass das bei neun von zehn gefällten Bäumen nicht zutrifft.» Dann ging Dietrich auf den hohen Nutzen des alten Baumbestandes beim Reservoir ein. Diese Bäume böten Lebensräume für mehrere Hundert Kleinlebewesen, würden viel CO2 binden und Sauerstoff produzieren, sagte er. «Ein Baum mit einem Kronendurchmesser von 20 Metern, wie wir sie hier sehen, entspricht in seiner Biomasse etwa 400 Jungbäumen.» Da diese Bäume in der Gruppe an einem so exponierten Standort gewachsen seien, mache sie besonders robust, ihre Wurzeln seien tief verankert. «Die Einmaligkeit dieses Standorts übertrifft alle Verrücktheiten, die hier geplant sind», schloss der Baumexperte sein Referat. Er empfahl, diesen Ort der Kraft und der Ruhe so zu geniessen, wie er ist. Mit einer guten Pflege des Baumbestandes könne auch die Sicherheit an diesem öffentlich zugänglichen Ort gewährleistet werden. 

Noch ist nichts entschieden

Gemeindepräsident Andreas Opprecht bedankte sich bei den Initianten des Anlasses für ihr Engagement. Er wies darauf hin, dass das Projekt Aussichtsturm noch keine definitiv beschlossene Sache sei. «Bevor eine Baubewilligung erteilt werden kann, muss der Kanton das Projekt prüfen. Die 600 000 Franken, die uns vom Gewinn der TKB für dieses Projekt zugesagt wurden, sind eine Anschubfinanzierung. Über die Restfinanzierung entscheiden die Stimmbürger an einer Gemeindeversammlung.» Auf die Frage einer Anwesenden, ob das Geld der TKB nicht doch besser für den Erhalt und die Pflege des Naherholungsgebiets beim alten Reservoir eingesetzt werden könnte, antwortete er: «Das Geld der TKB ist zweckgebunden für einen Turmbau bestimmt, dies jedoch unabhängig vom Standort des Turms.» 

Hannelore Bruderer