Freitag, 9. August 2024

Buhwil. Mit Jakob Stark konnte die Gemeinde Kradolf-Schönenberg an der Bundesfeier mit einem prominenten Festredner aufwarten. Der Thurgauer Ständerat beklagte die gestiegene politische Hitze und forderte mehr Sach- und weniger Parteipolitik.

Respekt vermissen lassend, könnte man sagen, dass die Festansprache am 1. August ein «Dahergelaufener» gehalten hat. Höflicher und vor allem zutreffender wäre es, sich ein Beispiel an Gemeinderätin Andrea Zuberbühler zu nehmen, die Jakob Stark zu Beginn des Festakts aufgrund seiner heutigen politischen Funktion als den «im Moment bekanntesten Buhwiler» bezeichnete. Mit dem Marsch «Gruss an Bern» gab der Musikverein Kradolf-Schönenberg am frühen Donnerstagnachmittag ein stimmungsvolles Startsignal zur Geburtstagsfeier für die Schweizerische Eidgenossenschaft. Die Tischreihen im Festzelt, das man neben dem Buhwiler Mehrzweckgebäude aufgestellt hatte, waren dicht besetzt, als Jakob Stark ans Rednerpult trat.

Ehre für Festredner
Der Politiker bezeichnete es als «besondere Ehre», die Ansprache in «seinem» Dorf halten zu dürfen. Seit 38 Jahren in Buhwil wohnend, drückte Stark seine tiefe Verbundenheit mit der Ortschaft und ihrer Bevölkerung aus, räumte aber ein, «noch lange keine Ur-Buhwiler» zu sein. Als junger Ortsvorsteher habe er einst von einem alteingesessenen Einwohner anlässlich eines schwierigen Gesprächs zu hören bekommen, dass er ein «Dahergelaufener» sei und somit nicht befugt, sich einzumischen und Weisungen zu erteilen. Das habe ihn aber nicht weiter gestört, versicherte Stark. Sein Leitsatz habe seit jeher gelautet «Tue recht und fürchte niemand». In den folgenden Minuten liess Stark die Anfänge seiner politischen Karriere Revue passieren, die 1988 mit der Funktion des Buhwiler Ortsvorstehers begonnen und 1996 in das Amt des ersten Gemeindeoberhaupts der neugegründeten Politischen Gemeinde Kradolf-Schönenberg gemündet hatte. Stark blickte gerne zurück, wie unschwer zu erkennen war: «Was ich in den zehn Jahren als Gemeindeammann immer am meisten geschätzt habe, war der intensive Austausch mit den Einwohnerinnen und Einwohnern sowie die gemeinsame Arbeit im Gemeinderat und mit der Verwaltung.» Mit der Feststellung, dass auf kommunaler Ebene die Sachpolitik im Zentrum gestanden habe, deutete Stark an, in welche Richtung seine Gedanken zum 1. August gehen werden. Er kritisierte die überhandnehmende Dominanz der Parteipolitik und forderte in Bundesbern «mehr Ergebnisse und Lösungen für unser Land, weniger Dramatik und Schlagzeilen». Er erkenne eine gestiegene politische Hitze, einen «politischen Klimawandel» sozusagen – vor allem in der Welt, aber auch in der Schweiz. Diese Entwicklung stellt nach Starks Einschätzung eine grosse Herausforderung dar. Der 1. August sei eine Gelegenheit, sich auf den Kern unseres Landes und unserer Gemeinschaft zu besinnen, die politische Hitze abzukühlen und neue Hoffnung zu schöpfen. Stark zitierte aus Friedrich Schillers Drama «Wilhelm Tell», wo der Gründungsgeist der Eidgenossenschaft vortrefflich beschrieben werde. Es sei die solidarische Kraft, durch welche das Schweizer Volk auch in höchster Not und Gefahr bestehen könne. Die Politik müsse darauf bedacht sein, das 1291 gelegte Fundament nicht zu gefährden, sondern es zu beachten und zu stärken.

Identität bewahren
Stark ist promovierter Historiker und so konnte es nicht erstaunen, dass er in seiner Ansprache auch auf eine Botschaft des Bundesrats vom 9. Dezember 1938 zu sprechen kam, ein Dokument, in dem «Sinn und Sendung der Schweiz» in drei Leitsätzen formuliert werden. Die Landesregierung hatte damals auf die Zugehörigkeit der Schweiz zu drei grossen geistigen Lebensräumen des Abendlandes, zusammengefügt zu einem gemeinsamen Staat, hingewiesen. «Es ist wichtig, dass wir darauf achten, unsere Kultur und Identität zu bewahren», sagte Stark. Dies dürfe aber nicht heissen, sich einer Entwicklung zu verschliessen und alles Fremde abzulehnen. «Aber unser Land soll immer Schweiz bleiben.» Die vor 86 Jahren formulierten Leitsätze nehmen auch Bezug auf die Eigenart der eidgenössischen Demokratie mit der direkten Mitsprache des Volks mittels Initiative und Referendum sowie auf die Notwendigkeit, der Würde und Freiheit der Menschen mit Ehrfurcht zu begegnen. Sind diese bundesrätlichen Thesen heute noch relevant? Stark liess keine Zweifel daran aufkommen und erklärte zusammenfassend: «Es geht für die Schweiz darum, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, wie es auf dem Rütli beschworen worden ist.» Stark räumte am Schluss seiner Rede ein, dass die Schweiz in ihrer langen Geschichte – bei allem Einsatz und bei aller Tüchtigkeit – auch oft unter einem speziellen guten Stern gestanden sei. Sein eindringlicher Schlussappell lautete daher: «Bleiben wir demütig, bleiben wir dankbar! Hoffen und glauben wir an eine positive Zukunft unseres Landes in Freiheit und Solidarität.» Wer vor dem Festakt keine Gelegenheit gehabt hatte, konnte Versäumtes jetzt nachholen und sich mit Grilladen, Desserts und Getränken versorgen. Die Festwirtschaft wurde von Mitgliedern der GAB, der «Genossenschaft attraktives Buhwil», betrieben und konnte dabei auf die Dienste von Gemeindepräsident Heinz Keller zählen, der als vifer Kellner am Nationalfeiertrag so manchen Kilometer zurückgelegt haben dürfte.

Georg Stelzner