Freitag, 5. Januar 2024
Donzhausen. «Wieder Freude am eigenen Hund» – mit diesem Slogan wirbt Reto Wüthrich für sein Hundetraining, bei dem er den Menschen in den Fokus rückt.
Reto Wüthrich ist Hundetrainer – wobei er eigentlich gar nicht die Hunde trainiert, sondern ihre Besitzer und Bezugspersonen dahin führt, dass sie mit ihrem Verhalten die richtigen Signale für ein harmonisches Zusammenleben von Mensch und Hund ausstrahlen. Obwohl seit Jahrhunderten domestiziert, folgen Hunde immer noch ihren Urinstinkten, die sie als Teil eines Rudels definieren. Ein Rudel ist eine geschlossene Gruppe, in der die Stellung der einzelnen Mitglieder klar definiert ist. «Menschen verhalten sich im Alltag gegenüber Hunden, ohne dass es ihnen bewusst ist, oft rangniedrig. Dann übernimmt der Hund die Rolle des Anführers», erklärt Wüthrich. «Besitzer verstehen dann nicht, warum der Hund nicht wie gewünscht gehorcht oder unter Umständen sogar aggressiv reagiert, weil der Hund das Verhalten des Besitzers als Angriff auf seine Position im Rudel versteht.»
Rangordnung klären
Ähnlich ist es Reto Wüthrich selber ergangen. Mit seiner Lebenspartnerin hatte er einen Chihuahua, der immer wieder Schwierigkeiten bereitete. «Bei kleinen Hunden ist die Gefahr besonders gross, dass man sie zu sehr verwöhnt, weil sie ja so niedlich sind. Bei grösseren geht man eher etwas auf Distanz.» Wüthrich betont, dass man mit seinem Hund durchaus schmusen dürfe, der Zeitpunkt und die Art und Weise müsse aber vom Menschen festgelegt werden und nicht vom Hund. Um dies zu erreichen, muss die Position von Familienmitgliedern und Hunden in ihrem «Rudel» erst geregelt und gefestigt sein. Diese Erkenntnis fehlte ihm mit seinem Chihuahua noch. «Auch nach drei Jahren im Hundekurs war unser Hund uns gegenüber immer noch frech. Dann lernte ich an der WEGA in Weinfelden eine Hundetrainerin kennen. Bereits nach wenigen Trainingsstunden mit ihr besserte sich die Situation. Wir blieben in Kontakt und sie ermunterte mich, die Hundetrainerausbildung zu machen. Ich habe diese dann, trotz meiner grossen Prüfungsangst, vor drei Jahren erfolgreich abgeschlossen», blickt der gelernte Lebensmitteltechnologe zurück. Seit einem Jahr übt er seine Tätigkeit als Hundetrainer vollzeitlich aus. Nebst den Aufträgen von Privatkunden arbeitet er auch zusammen mit Patienten und Hunden stundenweise in einer psychiatrischen Privatklinik. Sterbebegleitung sei ein weiteres Thema, dem er sich in Zukunft widmen möchte.
Beim Kunden zu Hause
Seine Privatkunden sucht Reto Wüthrich in ihrem Zuhause auf, sozusagen in ihrem natürlichen Habitat. Ein erstes Beratungsgespräch ist gratis, dann beginnt das Training, bei welchem er auf spezifische Fragen und Probleme eingeht. «Für den Hund bin ich ein Fremder, der in sein Rudel eindringt, also versucht er seinen Platz zu behaupten. Gelingt es mir, dass er sich aufgrund meines Verhaltens mir gegenüber unterordnet, klappt es in der Regel auch mit seinem Besitzer.» Bisher sei es kaum vorgekommen, dass er sich nicht durchsetzen konnte. «Bei einem Herdenschutzhund hat meine Methode einmal nicht angeschlagen, was aber auch nicht wirklich verwundert, denn diese Rassen sind dafür gezüchtet, selbstständig zu handeln und die Verantwortung für eine Herde zu übernehmen». Artgerecht, menschlich und nachhaltig sind drei Begriffe, die Reto Wüthrich auf seiner Webseite (www.diehundetrainer.ch) verwendet. Er nimmt sich Welpen, Junghunden und grossen und kleinen Problemhunden an. Eine Trainingseinheit dauert 60 Minuten und kostet 12o Franken inklusive Anfahrtsweg. Meist sehe man nach dem ersten Treffen schon Fortschritte, sagt Wüthrich. Wie viele Trainingseinheiten und Unterstützung es benötige, sei individuell. «Wichtig ist, dass meine Kunden die Aufgaben, die ich ihnen gebe, bis zu unserem nächsten Treffen konsequent ausführen und auch nachher dabeibleiben.» Um die Motivation aufrechtzuerhalten, bietet er seinen Kunden monatliche Spaziergänge in der Gruppe an. Im nächsten Jahr möchte er zudem mit längeren geführten Hundewanderungen starten.
Erst gut überlegen
Dass es immer mehr Hundebesitzer gibt, die mit ihren Vierbeinern Mühe haben, liege auch daran, dass der Kauf eines Tiers oft nicht mit allen Konsequenzen durchdacht werde, meint Reto Wüthrich. Auch lässt sich der gesellschaftliche Trend, der weg von starken Hierarchien und hin zu gleichberechtigten Individuen führt, mit den Lebensbedürfnissen von Hunden nur bedingt vereinbaren. Versteht ein Hund sein Umfeld nicht, kann es passieren, dass er aggressiv reagiert. «Viele erhoffen sich dann von einer Kastration, dass der Hund ruhiger wird. Diese erfolgt dann oft auch noch viel zu früh. Die Wissenschaft sagt, dass sich das Verhalten nach der Operation bei rund einem Fünftel gar nicht ändert und der Rest etwa zu gleichen Teilen entweder ruhiger oder noch aggressiver wird. Ein solcher Schritt sollte also gut überlegt sein. Bei meinen Trainings stelle ich fest, dass ein Hund, der sich in seinem Umfeld wohl fühlt und seine Stellung in der Gruppe kennt, automatisch ruhiger wird.»
Hannelore Bruderer