Freitag, 31. Januar 2025

Schönenberg. Der Bau des Gesundheitszentrums für die Gemeinde Kradolf-Schönenberg verläuft nicht problemlos. Eine termingerechte Fertigstellung und Eröffnung sollte dennoch möglich sein.

Im AachThurLand wird die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung gerade auf eine neue Grundlage gestellt. In Sulgen ist Mitte Januar ein Ärztezentrum für die Gemeinden Erlen und Sulgen eröffnet worden, und in der Gemeinde Kradolf-Schönenberg hat inzwischen die Errichtung des «Gesundheitszentrums an der Thur» begonnen. Von der sprichwörtlichen «leichten Geburt» zu sprechen, wäre allerdings in beiden Fällen höchst euphemistisch. War es in Sulgen die Standort- und Raumfrage, welche langwierige Abklärungen erforderte, so schien in Schönenberg lange Zeit das Gewässerschutzgesetz (Stichwort Gewässerraum) einer Realisierung des Projekts im Wege zu stehen. Knackpunkt war die kurze Distanz vom vorgesehenen Bauplatz an der Ecke Thurbruggstrasse/Schwimmbad­strasse bis zur Thur.

Schwermetalle in Schlacke
Nachdem der Kanton nach zähen Verhandlungen mit dem Gemeinderat grü­nes Licht gegeben hatte, konnten die Bauarbeiten im vergangenen Oktober in Angriff genommen werden. Diese begannen naturgemäss mit dem Aushub und dabei sah sich die als Bauherrin fungierende Waloba AG mit dem nächsten Problem konfrontiert: Im Erdreich stiess man nicht nur auf Bauschutt und drei alte Öltanks, sondern auch auf Schlacke, welche Schwermetalle wie Blei, Chrom und Kupfer enthielt. Aufgrund einer technischen Voruntersuchung kamen diese Stoffe zwar nicht völlig unerwartet zum Vorschein, aber doch in einer grösseren Menge als zunächst angenommen. Laut Simon Griesser von der für die Altlastenbegleitung beigezogenen Ingenias AG reichte die Palette von schwach bis zu stark verschmutztem Material. «Das grösste Problem ist die Schlacke gewesen, eine Gefahr für das Grundwasser hat jedoch nicht bestanden», sagt Griesser, dessen Firma im Auftrag der Bauherrschaft ein Entsorgungskonzept erstellte. Das kontaminierte Erdreich wurde inzwischen abtransportiert und gesetzeskonform behandelt und – wenn nötig – einer umweltschonenden Endlagerung zugeführt.

Altlasten der Seidenweberei
Bleibt die Frage, woher die im allgemeinen Sprachgebrauch als Altlasten bezeichneten Stoffe überhaupt stammten. Ein Blick in die Vergangenheit liefert die Erklärung: In unmittelbarer Nachbarschaft des nunmehrigen Bauplatzes produzierte bis 1978 die Schönenberger Seidenweberei, ein grosser Betrieb von überregionaler Bedeutung. «Die anfallende Schlacke wurde auf das Grundstück neben der Fabrik gebracht, also dorthin, wo jetzt das Gesundheitszentrum errichtet wird», sagt Benno Andermatt, Verwaltungsratspräsident der Wa­loba AG. Die Öltanks seien ebenfalls ­eine Hinterlassenschaft der früheren Seidenweberei. Viel Geld und Arbeit seien nötig gewesen, um dieses Problem – im wahrsten Sinne des Wortes – zu bereinigen, betont Andermatt. Das Projekt an sich sei aber nicht gefährdet gewesen. «Ein problemloser Bauverlauf vorausgesetzt, könnte die Inbetriebnahme des Gesundheitszentrums schon Ende 2025 erfolgen, damit auch in Schönenberg medizinisch und therapeutisch ausgebildete Fachpersonen ihre Arbeit zum Wohle der Bevölkerung aufnehmen können.»

Sorge um alte Linde
Aller Sorgen entledigt ist die Bauherrschaft damit trotzdem nicht. Im Fokus steht jetzt die Linde bei der ehemaligen Direktionsvilla. Der geschützte, mehr als 100 Jahre alte Baum ist im Zuge der Bauarbeiten in Mitleidenschaft gezogen worden. «Beim Aushub der Baugrube sind leider Wurzeln gekappt worden», sagt Benno Andermatt. Nun sind Wurzeln so etwas wie die Achillesferse eines Baums, weshalb die Sorgen um die weitere Lebensdauer der Linde berechtigt sind.
Markus Friedli, Baumpfleger aus Buchackern, kümmert sich seit einem Viertel-jahrhundert um die Linde. Er kritisiert die zu kurze Distanz des geplanten Bauwerks zum Baum. Der ursprünglich in Aussicht gestellte Abstand von sechs Metern sei nicht eingehalten worden, stellt er fest. Bei einem Baum dieser Grösse sollte sich das Wurzelwerk auf einer Fläche von rund 120 Quadratmetern ungehindert ausbreiten können. «Man ist der Linde ziemlich brutal auf die Füsse getreten», kommentiert Friedli den «nicht optimalen Bauverlauf». Beim nächsten Blattaustrieb werde sich das aufgrund der reduzierten Versorgung mit Wasser in Gestalt dürrer Äste bemerkbar machen. Durch eine Verkleinerung der Krone könnte man dieser Entwicklung entgegenwirken – allerdings auf Kosten der Ästhetik. Besiegelt sei das Schicksal des Baums noch nicht, beruhigt Friedli. Es bestehe Grund zur Hoffnung, denn «Linden sind relativ robust und verfügen über eine gute Wundheilung». 

Pflege soll Baum retten
Vorsichtig optimistisch äussert sich auch Tobias Neubauer von der Biogärtnerei Neubauer in Erlen. «Das Anschneiden der Wurzeln stellt einen massiven Eingriff dar, doch der Baum hat durchaus eine Überlebenschance.»
Dazu beitragen soll laut Neubauer nebst dem Zurückschneiden der Krone auch der Einsatz eines homöopathischen Stärkungsmittels namens Biplantol. Zudem müssten die beschädigten Wurzeln nachgeschnitten und durch einen aus Erde und Kokosgewebe bestehenden «Vorhang» geschützt werden, um ein weiteres Austrocknen zu verhindern. Die Terrainveränderung rund um die Linde sei auf ein Minimum zu beschränken. «Bei der Belagsfläche ist darauf zu achten, dass die Wurzeln hinreichend mit Wasser und Luft versorgt werden», führt Neubauer aus. Ein Fortbestand des Baums ist auch im Interesse der Bauherrschaft. «Wir setzen alle Hebel in Bewegung, damit die Linde weiterlebt», versichert Benno Andermatt.

Georg Stelzner