Freitag, 28. Juli 2023
Sulgen. Norbert Schoch ist seit zehn Jahren Kommandant des Feuerwehrzweckverbands Sulgen–Kradolf-Schönenberg. Mit seinen Offizieren leitet er ein Team von rund 100 Feuerwehrangehörigen.
Herr Schoch, wann sind Sie der Feuerwehr beigetreten?
Norbert Schoch: Vor 30 Jahren.
Was waren damals Ihre Gründe, diesen Schritt zu machen?
Schoch: Auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen abgedroschen tönt, mir ist es wichtig, Mitmenschen in Ausnahmesituationen zu helfen und beizustehen. Dies in der Gemeinschaft unserer Feuerwehr, wo Kameradschaft gelebt wird und einen hohen Stellenwert hat. Ein weiterer Punkt ist die Vielseitigkeit der Aufgaben. Es geht schon lange nicht mehr nur um Brandbekämpfung, wir sind zunehmend auch durch Elementarereignisse gefordert. Aus diesem Grund nennen sich Feuerwehren in anderen Orten nun auch öfters Schadenwehren.
Wie motivieren Sie junge Menschen, sich in der Feuerwehr zu engagieren?
Schoch: Wir führen einmal im Jahr einen Informationsabend durch, da weisen wir ebenfalls auf die vorher genannten Punkte Kameradschaft, Vielseitigkeit und Dienst an der Allgemeinheit hin. Theoretisch ist jede Person im Thurgau feuerwehrpflichtig. Kommt jemand dieser Pflicht nicht nach, wird eine Feuerwehrabgabe fällig. Diese Abgabe ist jedoch gering und deshalb selten ein Grund, der Feuerwehr beizutreten. Neuzugezogene weise ich darauf hin, dass sie als Mitglied der Feuerwehr schnell Kontakte zu vielen Leuten knüpfen und die Besonderheiten ihres Wohnortes mit einem überschaubaren Aufwand gut kennenlernen können. Das Einsatzgebiet des Zweckverbands reicht von Olmershausen bis Donzhausen und Hessenreuti. Unsere Leute an der Basis absolvieren neun Übungsabende pro Jahr. Dazu kommen die Einsätze. Es sind im Schnitt 45 bis 50 Einsätze pro Jahr. Mit der Industrie in Sulgen, den beiden Alterszentren in Sulgen und Schönenberg sowie dem neuen Durchgangsheim für Asylsuchende in Kradolf befinden sich in unserem Gebiet auch spezielle Bauten, in denen viele Personen wohnen und arbeiten. Diese stellen für uns eine besondere Herausforderung dar.
Manchmal kommt es auch zu einem Fehlalarm …
Schoch: Ja, das gibt es ab und zu. So kommt es vor, dass durch Rauchentwicklung beim Kochen ein Brandmelder aktiviert wird. Trifft unsere kleinste Einsatztruppe, die doch aus immerhin rund 15 Personen besteht, dann vor Ort ein, ist es den Personen dort meist peinlich. Das muss es ihnen aber nicht sein. Wir haben auch kein Problem damit, wenn sich eine Gefahrensituation bis zu unserem Eintreffen schon entschärft hat, zum Beispiel, wenn jemand einen kleinen Brand selbst löschen konnte. Zum einen sind wir verpflichet, immer einen Einsatz zu leisten, wenn er angefordert wird, zum anderen können wir bei jedem Einsatz schauen, wo wir stehen und ob wir das Richtige üben. Die Bevölkerung darf wahrnehmen, dass es eine einsatzbereite Feuerwehr gibt.
Sie sind seit 30 Jahren dabei. Wie hat sich die Feuerwehr im Laufe der Jahre verändert?
Schoch: Die Feuerwehr hat sich allgemein stark modernisiert. Aus diesem Grund können wir mit weniger Personen effizientere Einsätze leisten als früher. Wichtig ist, dass man nicht stehen bleibt und vorausschauend plant. Bei unseren Fahrzeugen rechnen wir mit einer Einsatzdauer von 20 bis 25 Jahren, so muss die Technologie beim Zeitpunkt der Anschaffung auf dem neuesten Stand sein. Im Zuge der Sanierung des Auholzsaals wurde auch unser Depot umgebaut. Es entspricht nun unserer aktuellen Organisation. Ein Ziel ist zum Beispiel, dass
wir vermehrt im Mannschaftstransporter vom Depot zum Einsatzort aufbrechen. Die Einsatzkleider verbleiben dann beim Materialwart, der sie kontrolliert, wäscht und prüft.
Ist der Feuerwehrzweckverband derzeit gut aufgestellt?
Schoch: Wir sind personell und materialseitig sehr gut aufgestellt. Bisher hatten wir noch nie Nachwuchsprobleme. Derzeit zählt unser Zweckverband rund 100 Feuerwehrangehörige. Einen Mindestbestand von zirka 70 bis 80 Personen müssen wir haben.
Erhält die Feuerwehr genügend Wertschätzung und Unterstützung durch die Bevölkerung?
Schoch: Wir erfahren eine grosse Akzeptanz im ganzen Zweckverbandsgebiet. Das zeigt sich auch immer an den Gemeindeversammlungen, wenn es um Investitionen für Neuanschaffungen geht, die selten infrage gestellt werden.
Bei ihrer Tätigkeit treffen Sie auf Zerstörung und menschliches Leid. Welche Einsätze sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Schoch: Sicher das Unwetter, das Kradolf im Jahr 2015 verwüstete. Dieses Ereignis hat uns fünf Tage intensiv beschäftigt. Gleichzeitig zur Hochwasserbekämpfung mussten wir für den Rest der Bevölkerung auch den Brandschutz sicherstellen. Grössere Brände sind ebenfalls prägende Ereignisse, die man nicht vergisst, verlieren Menschen dabei doch oft ihr gesamtes Hab und Gut. Müssen die betroffenen Personen nicht ins Spital, werden sie in der ersten Phase von uns betreut, bevor sich Verwandte oder andere Organisationen um sie kümmern.
Wie geht man persönlich mit solchen Ereignissen um?
Schoch: Wenn man in Blaulichtorganisationen arbeitet, baut man sich einen gewissen Schutz auf. Wichtig ist, dass man selber fit ist und ein starkes Umfeld hat. Für mich ist auch die Uniform ein wichtiger Bestandteil. Zieht man sie an, geht man in eine Funktion hinein, mit dem Ablegen der Uniform beendet man diese Rolle. Es hilft auch, wenn wir nach einem Ereignis im Depot noch miteinander sprechen, bevor wir nach Hause gehen. Merke ich, dass etwas einen Kameraden besonders beschäftigt, rufe ich ihn am nächsten Tag an, um nachzufragen. Wird professionelle Hilfe benötigt, so verfügen wir über ein Dokument, in dem das weitere Vorgehen geregelt ist.
Gibt es auch schöne Momente?
Schoch: Nebst der Verbundenheit im Team sind es auch Ereignisse, bei denen Schlimmeres abgewendet werden konnte, so zum Beispiel wenn ein Nebengebäude brennt und das Wohnhaus gerettet werden kann. Kürzlich haben wir für einen kleineren Einsatz von einem Betroffenen ein Dankesschreiben und Schokolade bekommen. So etwas erwarten wir nicht, freut uns aber sehr.
Interview: Hannelore Bruderer
Zur Person
Norbert Schoch wohnt mit seiner Gattin in Schönenberg. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Schoch lernte ursprünglich Zimmermann und bildete sich später zum Transportsanitäter bei der Rettung 144 weiter, wo er 14 Jahre lang tätig war. Seit anfangs Jahr arbeitet der 51-Jährige als Disponent bei der Kantonalen Notrufzentrale in Frauenfeld. Sein Nebenamt als Kommandant des Feuerwehrzweckverbands Sulgen–Kradolf-Schönenberg wird er noch bis Ende 2024 ausüben. (hab)