Freitag, 14. Juli 2023

Bürglen. Nach der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung steht die Evangelische Kirchgemeinde Bürglen nun nicht nur ohne Pfarrerin, sondern auch noch ohne Kirchenpräsidentin da. 

Eigentlich hatte der Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchgemeinde Bürglen zur ausserordentlichen Versammlung eingeladen, um eine neue Pfarrerin zu wählen. Die Kirchbürger unterstützten dann knapp mit 21 Ja- zu 19 Nein-Stimmen den Antrag eines Kirchbürgers, der verlangte, die Wahl nicht durchzuführen. Daraufhin gab Annabelle Reuter ihren sofortigen Rücktritt als Kirchenpräsidentin und als Präsidentin der Pfarrwahlkommmission bekannt. So die Kurzversion der Ereignisse am letzten Donnerstagabend in der evangelischen Kirche Bürglen. 

Genau nachgefragt

Vor der Versammlung hielt Pfarrerin Tünde Basler-Zsebesi, die sich auf die vakante Pfarrstelle in der Bürgler Kirchgemeinde beworben hatte, einen Gottesdienst, in dem sie das Thema Dankbarkeit ins Zentrum stellte. Danach begrüsste Kirchenpräsidentin Annabelle Reuter die Anwesenden. Bereits mit der Einladung zur Versammlung hatte die Pfarrwahlkommission ihre Wahlempfehlung mit einem Beschrieb über die bisherige Tätigkeit der Pfarranwärterin verschickt. Bevor Tünde Basler-Zsebesi die Kirche für die Pfarrwahl verliess, stellte sie sich den Fragen der Kirchbürgerinnen und Kirchbürger. Die Frage, wie lange sie in der Kirchgemeinde Bürglen tätig sein möchte, war berechtigt, denn Pfarrerin Basler-Zsebesi ist 62-jährig. Sie würde, sofern es ihre Gesundheit zulasse, gern bis 70 arbeiten, gab sie bekannt. Die nächsten Fragen eines Votanten zielten auf die Gründe für die vergangenen Stellenwechsel der Pfarrerin ab, die ihm, nach seinen eigenen Recherchen im Internet, nicht schlüssig vorgekommen seien. Die Pfarrerin beantwortete seine Fragen und begründete ihre Stellenwechsel, soweit dies im Rahmen des Datenschutzes möglich war. Über ihre Bewerbung in Bürglen sagte sie: «Meine aktuelle Stelle in Nidwalden gefällt mir, und ich muss nicht wechseln. Ich würde gerne dieses Pfarramt hier übernehmen, weil ich dann näher bei meinen Kindern wäre, die in Bürglen wohnen.» In der Diskussion in Abwesenheit der Pfarrerin äusserten einige Kirchbürger Bedenken, dass sie die Kandidatin nach diesem einen Gottesdienst und der Fragerunde zu wenig kennen würden, um sich an diesem Abend mit einem klaren Ja oder Nein zu entscheiden. Ein Votant stellte daraufhin den Antrag, auf das traktandierte Geschäft nicht einzutreten und auf die Wahl zu verzichten. 

Im Gegenwind

Die Kirchenpräsidentin wies darauf hin, dass die Kirchenbehörde diese Wahl gemäss dem geltenden Recht durchführe. «Die Pfarrwahlkommission hat die Stelle in drei verschiedenen Publikationen ausgeschrieben und gerade einmal fünf Bewerbungen erhalten. Die einzige Bewerbung, die die Kommission überzeugte, war jene von Pfarrerin Tünde Basler-Zsebesi», sagte sie. In diesem Zusammenhang bat sie die Stimmberechtigten, über die Konsequenzen nachzudenken, die mit diesem Antrag verbunden seien, denn wählbare Bewerber seien dünn gesät. Nachdem dieser Appell unkommentiert verhallt war, meinte sie resigniert: «Ich spüre den Gegenwind und werde nun über diesen Antrag abstimmen lassen.» Nachdem die Stimmberechtigten knapp entschieden hatten, nicht auf das Traktandum Wahlen einzugehen, ergriff Annabelle Reuter nochmals das Wort. «Den Gegenwind, den ich vorher erwähnt habe, fühle ich schon länger in unserer Kirchgemeinde. Ich gebe mein Amt als Präsidentin der Pfarrwahlkommission sowie der Kirchgemeinde heute Abend ab. Das entsprechende Gesuch werde ich der Landeskirche einreichen.» Sie habe nicht mehr die Kraft, so weiterzumachen, fügte sie an. Nachdem sich ihre Worte gesetzt hatten, begann eine längere Diskussion, an der sich die zurückgetretene Kirchenpräsidentin nicht mehr beteiligte. Andere Mitglieder der Kirchenbehörde und der Pfarrwahlkommission solidarisierten sich mit ihrer Präsidentin und kündigten ebenfalls an, dass sie einen Rücktritt ins Auge fassen würden. Sie betonten, dass die Behörde unter der Führung von Annabelle Reuter stets effizient und gut zusammengearbeitet habe. Personen, die die Pfarrwahl zu Fall brachten, beteuerten ihrerseits, dass ihr Entscheid sachbezogen gefällt worden sei und nicht persönlich gemeint war. Diese Erklärungen konnten die Wogen jedoch nicht glätten. Mit der gescheiterten Pfarrwahl, dem Rücktritt der Präsidentin und weiteren angekündigten Rücktritten steht die Evangelische Kirchgemeinde Bürglen vor einem veritablen Scherbenhaufen. Margrit Gentsch, die Vizepräsidentin, schloss die Versammlung. Sie sagte: «Die Kirchenvorsteherschaft, oder der Rest davon, wird nun schauen, wie es weitergeht oder die ganze Angelegenheit an die Landeskirche delegieren, wie wir das auch schon einmal hatten.»

Hannelore Bruderer